27 Februar 2011

szene: Juli Gudehus. Das Lesikon.

das magazin das lesikonJULI GUDEHUS. DAS LESIKON

zeitraum: 04.03.2011, ab 20:00 - 23:00 uhr
location: das magazin,
teilfeld 8, 20459 hamburg

kosten: keine
details: art-lawyer.de

Ein Regalboden, der nur so strotzt vor Büchern voller sehr gutem Desig ist der Garant für den ein oder anderen Blickfang. Da sind jene Buchrücken die ganz besonders hervorstechen. Ein solcher ist ganz bestimmt der des Lesikons, dem neuen Werk von Juli Gudehus. Es ist eines mit fundamentalem Anspruch geworden mit seinen immerhin 3000 Seiten! Dazu ein durchaus klingender Titel: 'Das Lesikon der visuellen Kommunikation.' Und irgendwie, so schlicht und ergreifend, wie es daherkommt hat das Buch etwas wildes, es strotzt es doch vor Zettelage. Hier und da schielen Fundstücke hervor und verführen zum Entdecken. Wie gewohnt verlegt der Hermann Schmidt Verlag erneut ein Buch, das mehr als positiv auffällt. Eines das sich der Sprache der Gestalter, der Designer, der Kreativen widmet.

Inwiefern und weshalb sich das Lesikon dem klassischen Konzept der Lexika verweigert oder wie lange und mit wem Juli Gudehus an 9704 Einträgen gearbeitet hat, kann man in einer Präsentation erfahren, die gepaart mit einem Vortrag, einen schönen Abend verspricht. Möglich macht das nicht nur die Präsenz der Berliner Designerin, sondern auch das Revival von 'Das Magazin'. Die Pause ist vorbei und im Teilfeld 8 darf wieder in die Hände geklatscht werden. Vor Freude, Begeisterung und Enthusiasmus für diese gute Sache.

und nun die werbung:

21 Februar 2011

buch: Martin Maurer / Terror

cover martin maurer terrorMartin Maurer / Terror
Thriller
EAN 9783832196165 / 384 Seiten
Dumont (2011) / 19,95 Euro

Terror und Bedrohung als Staatsangelegenheit

Ein halb totgeprügelter Marokkaner stört den Familienurlaub, den Marc Burth mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter geplant hat, empfindlich. Der völlig verstörte Mann weigert sich vehement in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Als er auch noch behauptet, dass es Polizisten waren, die ihn so zugerichtet haben, beginnt Burth neugierig zu werden und sich einzumischen. Ziemlich rasch muss der Kameramann feststellen, dass weit mehr hinter dem Übergriff steckt als nur gewöhnliche Polizeigewalt. Eine Verschwörung, die bis ans Ende des zweiten Weltkriegs heranreicht und bis heute nicht aufgearbeitet worden ist.

In Terror bedient sich Martin Maurer dreier Erzählstränge, die mit einer Rasanz aufeinander zusteuern, dass sich bei mir ein Effekt eingestellt hat, den ich sonst nur von guten Serien kenne: noch ein Kapitel, nur noch eins, nur noch eins und immer so weiter. Da ist Marc Burth, der mit Hilfe von Bekannten immer mehr über die NATO Geheimarmee und die Stay Behind Organisation GLADIO erfährt, da sind zwei Carabinieri, für die Lenzari vom beschaulichen Bergdorf zu einem einzigen riesigen Tatort wird, und letztlich gibt es die Dolmetscherin Clara, die sich mit einem Trauma konfrontiert sieht, das sie seit dem G8 Gipfel von Genua 2001 nicht loslässt.

Dieser Thriller ist zwar kein erzählerisches Glanzstück, aber mit Sicherheit eine der spannendsten und interessantesten Neuerscheinungen dieses Frühjahrs. Manches mal war mir, als ob der Plot wirklich arg konstruiert ist, doch Hand aufs Herz. Weglegen habe ich verwöhnter Leser dieses Buch kein einziges Mal gemocht. Schon mit dem Verweis des Autors auf die WDR-Dokumentation 'Die Gipfelstürmer' [*] oder auf die Ungereimtheiten bei den Ermittlungen zum Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980 hat er Grundlagen für eine so spannende Story gelegt, dass ich in den Bann gezogen war. Viele sollten dieses Buch lesen, denn es unterhält nicht nur, sondern öffnet vielleicht auch so manches Augenpaar für ein sehr düsteres Kapitel europäischer Geschichte, das bis in die heutige Zeit reicht.

und nun die werbung:

13 Februar 2011

buch: Frost 187 / 1 Life 2 Live

flyer frost 187 buch 1 life 2 liveFrost 187 / 1 Life 2 Live
187 Straßenbande
EAN - / 160 Seiten
Independent (2011) / 15,- Euro

Frost legt das fundamentale Buch zu Graffiti und Streetlife aus Hamburg vor.

Es hat ein wenig länger gedauert, als erwartet. Die Druckerei hat nicht exakt gearbeitet, das Weihnachtsgeschäft ging damit Flöten. Insgesamt wurden 1500 Exemplare gedruckt und eines davon liegt jetzt vor mir. Über mangelenden Absatz kann sich Frost 187 trotzdem nicht beklagen. Sein erstes Buch geht gut. Das Hiphop-Magazin Backspin bat ihn als Aboprämie 25 Exemplare zur Verfügung zu stellen. Ruckzuck waren die Prämien weg, die Abos abgeschlossen - sein Buch ist deutschlandweit gefragt. Man kennt seinen Namen.

Frost. Vor ungefähr zehn Jahren begann seine Karriere in Hamburg. Auf der einen Seite inspiriert durch die Szene der 80er in New York City, sowie die der 90er in Paris und durch einen einfachen, aber essentiellen Umstand: Die Wahrnehmung seiner Umwelt. Wer das Grau der urbanen Landschaft nicht nur hinnimmt, sondern wahrnimmt, der wird schnell zum Wunsch kommen, Farbe einzusetzen. So war es eben auch bei ihm.

Es sei die Berliner Mauer gewesen, die er erinnert. Sie war voller Farbe. Voller Graffiti. Dann wurde die Mauer eingerissen und die Freiheit war da. Graffiti auf Beton, als Türöffner zur Freiheit. Vielleicht erklärt diese Anekdote mehr, als nur die Liebe zu Aerosoldämpfen aus Sprühdosen eines Malers. Er, einer der Mitbegründer der 187 Straßenbande, die von Tag zu Tag immer im Musikbusiness Fuß fasst. Mehrere Alben, bald die dritte 187 DVD und begehrte Pullis und Shirts, sowie kürzlich eine Doppelseite in der Hamburger Morgenpost. Eins jedoch hat man sich bei den 187ers stets bewahrt: Die Unabhängigkeit. Keine Mauer, kein Käfig - immer das eigene Ding durchziehen und wenn nötig mit dem Kopf durch die Wand.

So versammelt '1 Life 2 Live' nicht nur Graffiti von Frost, sondern ist auch Support auf vielen Seiten auch seine Jungs. Das Buch hat Ghettoqualität und ist mehr als ein Bildband. Es wirkt wie ein Fotoalbum mit Gangfotos und Aufnahmen von Tätowierungen. Auf der einen Seite viel intimer als jeder andere bisher erschienene Titel, auf der anderen Seite auch noch kredibiler und rougher.

Zu haben ist das Buch bis jetzt nur in Hamburg bei DaSource [*], UnderPressure [*] und JustFitteds [*]. Bald so ist zu hoffen jedoch auch im Shop der 187ers [*]. Support it!

und nun die werbung:

08 Februar 2011

einwurf #31

shakespeare co parisdas ist unser einwurf #31
heute: ein wirkliches luxusproblem.

Auf Oscar Wilde soll das Zitat 'Man umgebe mich mit Luxus, auf alles Notwendige kann ich verzichten' zurückgehen. Schöne Einbände, vorzüglich gesetzte Texte, hübsche Illustrationen, kluge und komische Wortketten. Bücher in denen man sich verlieren oder wiederfinden kann. Diese besonderen Sätze die für immer bleiben oder jene die in ihrer Kurzweiligkeit so gleich verschwinden - ganz wie ein Traum eben noch erinnert, dann doch immer, immer mehr verblasst. All die Bücher, die mich umgeben sind ein wahrer Luxus. Ich will auf sie nicht verzichten. Sie sie sind mir lieb geworden. Ihrer werde ich nicht überdrüssig und wenn ich sie nur zu immer größeren Stapeln auftürme. So verzichte ich dann und wann auf einen längst notwendigen Hausputz, wandere lesend mit den Sonnenstrahlen durch mein Zimmer. Mit einem Wohnraum zur Südseite zu wohnen war mir wichtig. Doch notwendigerweise brauche ich für diesen meinen Luxus recht viel Zeit.

Die Zeit um diesen Luxus zu genießen, sie ist notwendig und auf diesen Umstand heruntergebrochen hat der werte Herr Wilde nun Unrecht. Ich mag von Luxus umgeben, keineswegs auf alles Notwendige verzichten. Nicht jedenfalls auf Lesezeit. Anders gedacht ist mir Zeit auch zum Luxusgut geworden. Ich habe zu wenig davon, um all die wunderbaren Bücher zu lesen, die ich zu lesen gedenke. Ein ausgewachsener Skandal. Was ist zu tun, um dem entgegenzuwirken? Diesem wirklichen Luxusproblem. Dieser Ausgeburt der Dekadenz. Ich werde darüber nachdenken und hiermit schließen. Jedoch nicht ohne auf eine ausgesprochene Rarität hinzuweisen, derer ich habhaft geworden bin.

All zu passend der Titel: 'Nackt in einem Märchenschloß voll wirklich schlechter Menschen'. In Zusammenarbeit mit dem Typhographen Martin Z. Schröder hat Max Goldt mit diesem Büchlein mir ganz wunderbare Minuten beschert. Auf einer alten Presse mehrfarbing in Bleisatz wurden lediglich 2010 Exemplare gedruckt. Jedes ist numeriert, eines fand seinen Weg zu mir. Eines wird noch an gewohnter Stelle feilgeboten. Geneigte Leser mögen dem Medientipp folgen. Alle anderen kaufen bitte das weisse Buch von Rafael Horzon.

medientipps: