Serge Gainsbourg / Das heroische Leben des Evgenij Sokolov
aus dem Französische von Hartmut Zahn
EAN 9783936738667 / 64 Seiten
Blumenbar (2010) / 12,90 Euro
So banal, so lustvoll und auch so entlarvend.
Ja, aus Scheiße lässt sich durchaus Geld machen. In Serge Gainsbourgs einzigem und für dreißig Jahre in deutscher Sprache nicht erhältlichem Roman, reichen einem Künstler seine körpereigenen Gär- bzw. Faulgase dazu. Evgenij Sokolov leidet an übermäßiger Flatulenz. Kurz gesagt: Er muss ständig und überall furzen. Um nicht unangenehm aufzufallen sucht er sich Wege, um seine Abwinde möglichst unaufällig in die Luft zu blasen. Wusste man übrigens, dass es sich um sogenannten Meteorismus handelt, falls das nicht mehr funktioniert? Über den menschlichen Darmtrakt lernt man auf den knapp siebzig Seiten einiges, doch auch unterhalten wird man - ganz nach der Schule eines echten Gainsbourg.
Evgenij Sokolov leidet also von Kindesbeinen an unter Blähungen. Schreckliche, stinkende und unaufhaltbare Abwinde isolieren ihn zusehends. 'Sämtliche Spiele meidend, die jene Hockstellung erforderten, welche sich dem Ausstoß von Magenwinden so förderlich erweist, nämlich Spiele wie das gezielte Werfen von Münzen, Murmeln oder kleinen Kreiseln, aber auch das Versteckspiel, bei dem mich meine Furze unweigerlich verraten hätten, sonderte ich mich von den anderen ab (...)' Der junge Sokolov bleibt ein Außenseiter bis er den Militärdienst abzuleisten hat. In Uniform erlebt er einen gewissen Auftrieb. Gekrönt zum Furzkönig der Stube folgt jedoch schnell die Degradierung. Bis er vom Studenten zum weltberühmten Maler wird, dauert es ein paar lesenswert schräge Anekdoten lang.
Der Grund für Sokolovs künstlerischen Durchbruch ist ebenso banal, wie verrückt. Seine Flatulenzen sind von so enormen Ausmaß, dass sogar Fensterscheiben zu Bruch gehen. Mehr oder weniger per Zufall skizziert der Künstler nun, während er wieder von einem Furz durchgeschüttelt wird, eine Art Seismogramm seines Leidens. Das isolierte Leben scheint sich seiner Erfüllung zu nähern. Die sogenannten Gasogramme werden weltweit abgefeiert und zu horrenden Summen gehandelt.
Der Zug ist nicht mehr aufzuhalten und die Lokomotive rollt stinkend durchs Land. Der pure Hedonismus bricht los. Evgenij Sokolov hütet sein Geheimrezept zum Erfolg, eckt an und bricht mit absolut jeder gesellschaftlichen Konvention, so, dass er seine körperliche Befriedigung in der Zartheit einer Minderjährigen findet. Die Darmwinde versiegen, der Schmerz wird größer und das Ende naht. Das Buch endet ungefähr dort wo es beginnt - mit einem großen Knall.
Das heroische Leben des Evgenij Sokolov ist kein Künstlerroman - viel mehr karikiert Gainsbourg einen Kunstbetrieb, dessen Art und Weise den Wert eines Werkes zu messen, häufig eher daran erinnert, wie Sokolov seine Flatulenzen misst. Da ist alles möglich zwischen Karnickelfurz und bombastischem Konzert - Messung und Kunstwerk bleiben letztlich dem Zufall überlassen.
und nun die werbung:
17 Juni 2010
buch: Serge Gainsbourg / Das heroische Leben ...
labels:
lit.fiktional
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