24 Januar 2009

film: Vom Reis

screen vom reisVom Reis
Filmakademie Baden-Württemberg (2003)
regie: Cristoph Lehmann
web: christophlehmann.com
vö deu: 2008


Inzwischen schon ein paar Jahre alt, aber so aktuell wie eh und jeh - ein Film der polarisiert.

Doch ein Schelm, wer Wort für Wort das für bare Münze nimmt, was in diesem Kurzfilm gesagt wird. Viel mehr provoziert und polarisiert hier ein Regisseur geschickt und schreckt selbst vor Bibelzitaten, sowie einem Zitat aus dem Koran nicht zurück. Natürlich ist er, mit dem was er darstellt, nicht weit von unserer realpolitischen Situation entfernt. So wie die Herren Bankiers über "den Mob" reden, der das Land bewohnt, so redet die Bevölkerung wiederum über "die da oben". Die Ohnmacht des Ministers, seine polemische Flucht in Religion und Moral. Es handelt es sich hier ohne Frage um ein filmisches Sittengemälde einer ganz gewöhnlichen Republik.

Diesen Kurzfilm zeichnet nicht nur ein beängstigendes Gesamtbild aus. Kleinigkeiten wie die Rollenverteilung der Geschlechter, ob beabsichtigt oder nicht, machen diese acht Minuten verdient zu einem Preisträger der Filmakademie Baden-Württemberg.


21 Januar 2009

film: Standard Operating Procedure

cover standard operating procedureStandard Operating Procedure
originaltitel: Standard Operating Procedure (2008)
regie: Errol Morris
fsk: 18, laufzeit: 118min
vö deutschland: 01/2009

Kann ein Foto die Welt verändern?

Im Gefängnis Abu Ghraib ereignete sich 2003 einer der größten Folterskandale der US-Geschichte. Möglicherweise wäre es nie zu gezielten Ermittlungen gekommen oder wären die Vorfälle nie öffentlich diskutiert worden, wenn nicht Beweisfotos das Ausmaß der Folterungen aufgedeckt hätten. Sie haben den Verlauf des Irak-Kriegs beeinflußt und den Ruf der USA weltweit nachhaltig geschädigt.

Der Regisseur Errol Morris versucht mit seiner Dokumentation Standard Operating Procedure die Geschichte zu erzählen, die zu diesen Bildern und Taten führten. Er führte dazu Interviews mit Beteiligten, darunter zum Beispiel Lynndie England. Die absolute Objektivität der Produktion macht es einem manchmal schwer dem Film zu folgen ohne auf die Sofalehne zu schlagen oder einfach wegzusehen. Eine Geißelung der Täter findet nicht statt.

Der mutmaßliche Rädelsführer Charles Garner leistet seine zehnjährige Haftstrafe ab. Kein Militärangehöriger höheren Ranges als dem des Sergants wurde verurteilt. Umfangreiche Vertuschungsaktionen nach Bekanntwerden der Vorfälle erschwerten Ermittlungen. Wo beginnt Folter und wann handelt es sich um "Standard Operating Procedure"? Was bedeutet es, wenn man einen Verdächtigen "weich klopfen" soll?

Lynndie England behauptet von sich blind vor Liebe zu Charles Garner gewesen zu sein. Es ist erschreckend, wie sehr sie die eigene Verantwortung für die Mittäterschaft abwälzen will, darauf pocht ihr Leben weiterleben zu wollen und nicht einmal im Laufe des Filmes Reue oder Mitgefühl für die Opfer zeigt. Ein Wort der Entschuldigung fällt nicht. Das macht die Unerträglichkeit des Gesamtbildes aus, dass diese Dokumentation zeigt. Absolut sehenswert, aber garantiert keine DVD für schwache Gemüter. Die gezeigten Aufnahmen sind explizit, die nachgestellten Szenen und der Soundtrack von Danny Elfman runden das Bild ab. Eine im wahrsten Sinne des Wortes amtemberaubende Produktion.


medientipps:

16 Januar 2009

szene: dates bei stories!

logo storiesDas neue Jahr bringt neue Bücher mit sich, neue Trends in der Literaturszene. Die Feuilletons von FAZ, Zeit oder Welt verschaffen einem selbstverständlich von Zeit zu Zeit einen Überblick, aber das ist auch alles. Natürlich gibts ja das Netz - man nehme mal nur uns - doch es liegt in der Natur der Sache, dass jedes Angebot nur ein Blick durchs Schlüsselloch ist. Hinter der Tür zur Welt der Literatur verbergen sich Schätze, dabei viele längst vergessene oder übergangene Bücher. Die neue Veranstaltungsreihe "stories! Archiv" verschafft hier Abhilfe. Wir spielen ein wenig Sherpa und somit hier vier Dates für die kommenden vier Wochen:

20. Januar: „stories! für Kids“
16:30 Uhr bis ca. 17:30 Uhr - for free!
Die Vorlesestunde bei stories! mit Martina Nommel
Besonders Kinder lieben gute Geschichten. Gönnen Sie Ihren Kleinen eine Stunde Vorlesevergnügen.

22. Januar: „Have a break – have a story”
13:30 Uhr bis ca.14:00 Uhr - for free!
Die Lunch-Lesung bei stories!
Genießen Sie in Ihrer Mittagspause Müßiggang der besonderen Art: Jeden zweiten Donnerstag im Monat laden wir Sie ein zu unserer Lunch-Lese-Reihe in unseren Lesesaal. Professionelle Schauspieler unterhalten Sie mit Auszügen aus beliebten Büchern. Entspannen Sie und lassen Sie sich inspirieren für einen erfolgreichen Nachmittag im Büro. Dieses Mal gibt es Gruseliges von Edgar Allan Poe – zu Ehren seines 200sten Geburtstages.

29. Januar: „stories! Abendbrot“
19:00 Uhr bis 22:00 Uhr - for free!
Late Night Shopping
Sie shoppen lieber abends in entspannter Atmosphäre nach dem Büro? Dann ist stories! Abendbrot für Sie genau das Richtige. Wir stellen Ihnen unsere persönlichen Buchfavoriten in unserem Lesesaal vor und sind mit Schnittchen und einem Getränk bis 22:00 Uhr für Sie da.

17. Februar: stories! Archiv, moderiert von Dr. Frank Fingerhuth
19:30 Uhr - Eintritt 5,00 €
Im Februar starten wir eine neue Veranstaltungsreihe: „stories! Archiv“. Der NDR Kulturredakteur Herr Dr. Frank Fingerhuth hebt Schätze aus der Literaturgeschichte. Er wird jeweils ein Buch und literarischen Kontext, sowie Leben und Zeit des Autoren vorstellen.
Thema heute: Joseph Roth, Radetzkymarsch.

Die Location aller Veranstaltungen:
stories! - Die Buchhandlung
Straßenbahnring 17 (Nähe U-Bahn Hoheluft)
20251 Hamburg
netz: stories-hamburg.de
reservieren: +49 40 432 759 43

08 Januar 2009

buch: Christian Kracht / 1979

cover krachtChristian Kracht / 1979
192 Seiten / 1.Auflage September 2008
Kiepenheuer & Witsch / 16,95 Euro

Die totale Selbstvernichtung - Eine Reise von Teheran, Tibet bis nach China

Christian Kracht war mein Autor 2008 und es ist mehr als richtig ihm hier mehr Platz einzuräumen. Nach "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" möchte man sich nun mit dem großartigen Roman "1979" befassen. 2001 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen gerne auch mal, ob einer angeblich fehlenden Substanz verissen, hat mich dieses Buch - nun als dtv-Taschenbuch zu haben - ungemein beeindruckt.

Zwei Männer, viel mehr doch ein schwules Paar, in der Hauptstadt eines Landes, dass eine der größten, wenn nicht die größte Revolution des 20.Jahrhunderts erlebt. Der von seiner Beziehung und sich selbst völlig angewiderte und doch so handzahme Ich-Erzähler zieht uns hinein in einen Strudel aus Dekadenz und bürgerlichem Überfluss. Der Norden Teherans ist das Beverly Hills dieser Metropole. Hier finden wir uns nun wieder - inmitten einer orgiastischen Feierei, deren Höhepunkt das völlige "ausser-Kontrolle-geraten" des Freundes unseres Protagonisten ist. Hernach geht es rapide bergab, natürlich nur im übertragenen Sinne, denn eigentlich geht es nun erst bergan. Dem Abstieg in die dunklen Gassen Teherans folgt eine Sinnsuche in Tibet und die Selbstauflösung in einem chinesischen Arbeitslager.

Christian Kracht findet dieses, sein eigenes Buch kitischig. Gelacht hätte er bisweilen über das was er da aufgeschrieben habe. Ja, es ist manchmal kitschig bis zur Erbarmungslosigkeit und gleichzeitig muss es das sein. Ansonsten würde man an der Tatsache, dass Kracht Dinge die wir teilweise nur schemenhaft wahrnehmen, gestochen scharf darstellen kann, zerbrechen. 1979 ist ein Stück deutsche Literaturgeschichte.


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